Die hängenden Gärten von Zug

02.12.2021

Für den Tech Cluster Zug bauen Forschende der ETH Zürich zusammen mit Müller Illien Landschaftsarchitekten, Timbatec und weiteren Partnern eine bepflanzte architektonische Skulptur. Die 22,5 Meter hohe Struktur besteht aus fünf geometrisch komplexen Holzschalen und wird im Moment von Robotern an der ETH produziert.

Die hängenden Gärten von Zug

Für den Tech Cluster Zug bauen Forschende aus der Gruppe der ETH-​Architekturprofessoren Fabio Gramazio und Matthias Kohler zusammen mit Müller Illien Landschaftsarchitekten, Timbatec und weiteren Partnern eine bepflanzte architektonische Skulptur. Die 22,5 Meter hohe Struktur besteht aus fünf geometrisch komplexen Holzschalen, die – leicht zueinander versetzt – von acht schlanken Stahlstützen getragen werden. 

Fugenverguss ohne Pressdruck
Stets im Gleichtakt nehmen vier hängende Roboterarme die ihnen zugewiesene Holzplatte auf, führen einen hochpräzisen Tanz aus und platzieren die Platten schliesslich gemäss Computerentwurf im Raum. Ein Algorithmus berechnet die Bewegungen der Roboter so, dass es dabei zu keinen Kollisionen kommt. Haben die Maschinen ihre vier Platten nebeneinander platziert, werden diese von Handwerkerinnen und Handwerkern zuerst temporär verbunden und danach mit einem TS3-Giessharz miteinander verbunden. Die Brettsperrholzplatten können so durch Fugenverguss ohne Pressdruck stirnseitig miteinander verbunden werden. Timbatec entwickelte dieses Verfahren in mehreren Forschungsprojekten mit der ETH Zürich und der Berner Fachhochschule. Heute wird es vorwiegend für die Konstruktion von Geschossdecken angewendet, ermöglicht aber auch Strukturen wie Semiramis. So werden zwischen 51 und 88 solcher Holzplatten zu einer Holzschale zusammengefügt.

Im Gegensatz zur traditionellen Holzbauweise hat die robotische Fertigung mehrere Vorteile: Zum einen nehmen die Roboter dem Menschen das schwere Heben und das exakte Positionieren ab, zum anderen kann im Montageprozess auf aufwendige, ressourcenintensive Unterkonstruktionen verzichtet werden. 

Ein Symbol für die Zusammenarbeit
Die robotische Vorfabrikation läuft derzeit auf Hochtouren. Die einzelnen Schalensegmente werden laufend auf Lastwagen nach Zug überführt und die architektonische Skulptur dann im Frühjahr 2022 aufgerichtet und schliesslich bepflanzt. Ab Sommer 2022 wird es möglich sein, die Holzstruktur vom Boden und den Gebäuden aus zu betrachten und einen Blick in die begrünten Schalen zu erhaschen. Die schlanke und hohe Struktur wird üppig mit grossen Büschen und Bäumen bepflanzt und hat damit ein stattliches Eigengewicht. Gleichzeitig stellt sie eine grosse Angriffsfläche für den Wind dar. Dank der vorteilhaften runden Form der Schalen wird dieser um die Konstruktion geleitet. Trotzdem ist die Aussteifung der Konstruktion mit den acht schlanken Stützen eine Herausforderung. Die Winddrücke auf die Schale wurden mit einer strömungsmechanischen RWIND Simulation von Dlubal Software berechnet, was die Umströmung der Konstruktion in einem Windkanal simuliert. Zusätzlich mussten wegen der schlanken Konstruktion Resonanzeffekte längs und quer zur Windrichtung in den Berechnungen berücksichtigt werden.

RWIND Simulation von Dlubal Software

Im klassischen Entwurfsprozess versuchen Architektinnen und Architekten die unterschiedlichen Anforderungen an ein Gebäude oder eine Struktur im Entwurf zu berücksichtigen und passen diesen dann solange an, bis alle möglichst gut erfüllt sind. Nicht so bei Semiramis: Ein massgeschneiderter Machine-​Learning-Algorithmus, entwickelt in Zusammenarbeit mit dem Swiss Data Science Center, zeigte den Forschenden ausgeklügelte Gestaltungsmöglichkeiten auf. Die Vorschläge unterschieden sich hinsichtlich der Formen der Schalen und deren räumlichen Anordnung zueinander, zeigten aber auch auf, wie sich das jeweilige Design auf einzelne Zielgrössen wie beispielsweise die Beregnung der Schalen auswirkt. «Das Computermodell ermöglicht es uns, den konventionellen Gestaltungsprozess umzukehren und den gesamten Gestaltungsspielraum für ein Projekt zu explorieren. Dadurch entstehen neue, oft überraschende Geometrien», sagt Matthias Kohler, Professor für Architektur und digitale Fabrikation an der ETH Zürich.

Im «Immersive Design Lab», einem Labor für erweiterte Realität auf dem Campus Hönggerberg, konnten die Forschenden die Entwürfe dreidimensional erkunden und in Echtzeit gemeinsam daran weiterarbeiten. Eine gemeinsam mit dem Computational Robotics Lab der ETH entwickelte Software ermöglicht es ihnen zudem, die Entwürfe der Holzschalen einfach anzupassen: Verschieben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beispielsweise einen einzelnen Punkt innerhalb der Geometrie einer der Schale, die sich aus rund 70 Holzplatten zusammensetzen, passt die Software die gesamte Geometrie an. Gleichzeitig berücksichtigt sie die relevanten Fertigungsparameter wie beispielsweise das maximal mögliche Gewicht einer Platte und generiert so stets die effizienteste und belastbarste Konfiguration.

Quelle: ETH Zürich 

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